Wenn einem der Pöstler eine Falle stellt…

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Franziska Bur Bürgin
Franziska Bur Bürgin
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17.10.2017
Wenn einem der Pöstler eine Falle stellt…

BGE 142 V 389 / BGer 8C_661/2015

Die Schweizerische Post begegnet dem Schwund der klassischen Briefpost mit neuen und in der Regel durchaus kundenfreundlichen Dienstleistungen. Eine davon ist der Abholservice, bei dem der Pöstler die Post nicht nur bringt, sondern für den Versand bestimmte Briefe und Pakete beim Postkunden abholt. Kürzlich wurde dieser Abholservice einem Post-Kunden aber zum Verhängnis.

Der Post-Kunde war die Unia Arbeitslosenkasse. Sie hatte den Anspruch einer Person auf Leistungen aus Arbeitslosenversicherung verfügungs- und einspracheweise abgelehnt. Vor Sozialversicherungsgericht war sie indessen unterlegen. Gegen jenen Entscheid des Sozialversicherungsgerichts wollte sie Beschwerde ans Bundesgericht führen.

Die Beschwerdeschrift hatte sie vom Pöstler mit dem erwähnten Abholservice in ihren Räumlichkeiten abholen lassen. Sie war davon ausgegangen, dass das Paket damit sofort im Track & Trace-System der Post erfasst werde. Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten liegt dieser Schluss durchaus auf der Hand, schliesslich werden vom Pöstler abgegebene Pakete ja auch sofort (durch Einscannen eines Barcodes) im Track & Trace System als zugestellt erfasst.

Die Unia Arbeitslosenkasse hatte aber Pech. Wie sich im Nachhinein ergab, war der am letzten Tag der Frist der Post übergebene Umschlag erst nach Mitternacht, bei der Verarbeitung im Paketzentrum Härkingen, im Track & Trace System der Post erfasst worden. Aus dem Kleingedruckten im Vertrag der Kasse mit der Post war nur ersichtlich, dass Pakete am Vorabend beim Kunden abgeholt und über Nacht oder am Morgen mit LKW oder Zug zur Weiterverarbeitung ins Postzentrum überführt werden. Wie die Post zu Handen des Bundesgerichts sodann ausführte, datiert das erste Scan-Ergebnis immer erst vom Folgetag, da es bei der Aussortierung im Paketzentrum erstmals elektronisch erfasst wird.

Die zahlreichen Hinweise des Bundesgerichts auf Präzedenzurteile zur Frage der Fristwahrung (E. 2.2) zeigen, dass die rechtzeitige Übergabe von Rechtsmitteln an die Schweizerische Post öfter zu Problemen führen muss. Das Bundesgericht hält dazu fest:

  • Nach Art. 8 ZGB hat der Beschwerdeführer die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu beweisen. Überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt nicht; es braucht Gewissheit.
  • Die Frist ist gewahrt, wenn das Rechtsmittel am letzten Tag der Frist bis um 24 Uhr der Schweizerischen Post übergeben ist.
  • Massgeblich ist in der Regel der Poststempel bei Aufgabe am Postschalter; der Einwurf in den Postbriefkasten ist der Aufgabe jedoch gleichgestellt (muss aber bewiesen werden können).
  • Es wird vermutet, dass das Datum des Poststempels mit demjenigen der Übergabe an die Post übereinstimmt. Wer behauptet, es sei anders, kann versuchen, die Vermutung durch Gegenbeweis umzustossen. Dazu kann laut Bundesgericht der Absender einen Vermerk auf dem Briefumschlag anbringen, wonach die Postsendung vor Fristablauf  in Anwesenheit von Zeugen in einen Postbriefkasten gelegt worden sei. Mit Blick auf die Beweislast empfiehlt es sich sehr, amtliche Ausweispapiere dieser Zeugen zu kopieren (z.B. durch Handy-Foto) und ihre Wohnadresse aufzunehmen.

Mit Blick auf den Abholservice der Post hielt das Bundesgericht nur fest (E. 3.2), dass dieser Dienst in der Schweiz verbreitet sei. Es sei zudem notorisch, dass die Post Sendungen ihrer Vertragspartner nicht schon bei der Abholung abstemple. In diesem Sinne ist es vorerst wohl sehr ratsam, Postsendungen, die der Wahrung einer Frist dienen, ganz “old fashioned” am Postschalter abgeben und abstempeln zu lassen.

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